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Die Legende vom unermesslichen Reichtum der Christine von Halle.

Von Detlef Dreessen

Wird von Heinrich Rantzaus Ehefrau Christine von Halle gesprochen, so wird gerne die Geschichte erzählt, dass sie „vier Tonnen Gold“ als Mitgift mit in die Ehe gebracht haben soll. Dies beruht auf entsprechenden Angaben in der Literatur.1

Die Vorstellung, es habe sich um 4000 Kilogramm des wertvollen Edelmetalls gehandelt, beruht jedoch auf einem Missverständnis. Diesem zugrunde liegt eine Bemerkung in einer 1640 geschriebenen Lebensbeschreibung Heinrich Rantzaus, nach der Christine „über die stahtlichen adelichen Güter Drakenberg und Rintelen vier Thonnen Goldes mittbekohmmen“ habe.2

Dass bei „vier Tonnen“ zur Zeit Heinrich Rantzaus nicht an 4000 Kilogramm zu denken ist, ergibt sich schon aus der Tatsache, dass die „Tonne“ als Bezeichnung für 1000 Kilogramm erst 1793 im Zuge der Einführung des Dezimalsystems in Frankreich festgelegt wurde.

Zur Zeit Heinrich Rantzaus handelt es sich bei „Tonne“ stattdessen um eine Rechnungseinheit.  Wohlhabende Kaufleute, die mit großen Summen zu rechnen hatten, verwendeten zur Zeit Rantzaus zur Vereinfachung im Handel die Einheit „Tonne“ für 100 000. Eine Tonne Taler entsprach also 100 000 Talern.3  In diesem Sinne verwendet wird „Tonne“ auch zum Überschlagen großer Summen in einem Mathematikbuch aus dem Jahre 1559 - also fünf Jahre nach der Hochzeit von Heinrich Rantzau und Christine von Halle.4  Diese Verwendung des Begriffs „Tonne“ war auch Johannes Tropfke noch 1930 bekannt.5

Was Christine in die Ehe brachte, ist im Ehevertrag nachzulesen, der am 20. Februar 1554 in Lüneburg zwischen Heinrich Rantzau und Christine von Halle geschlossen wurde. 6   So soll die Gemahlin „einbringen zu ehgelde“ 20 000 cfl und 100 000 cfl dazu 53143 gfl an "Heubtsumen" (Kapital) und "zinsen 5 gfl jedes Jahr uff 100 gerechnet" - aus Rechten an Krediten an den „Rath zu Antorff (Antwerpen)  und die Graven zu Hoie (Hoya).  

Dabei steht die Abkürzung fl für Florin (=Florentinergulden), gfl für Goldflorin und cfl für den nach Kaiser Karl benannten Carolusflorin.1 cfl hatte etwa den Wert von 0,7 gfl.  Bringt man die genannten Summen auf cfl kommt man auf etwa 200 000 cfl. Dazu kommen Ansprüche, die im Ehevertrag nicht beziffert sind:

- Die Hälfte von „Barschaft, Briefe und Sigel“, die in einem „Kasten“ deponiert sind, sowie Ansprüche von Christine aus der Rammell-Erbschaft und anderen Erbschaften. Die Erlöse aus diesen Erbschaften sind für die Folgezeit in den Regesten der Breitenburg verzeichnet.

- Weiteres Kapital, das an den Rat zu Antwerpen und Herzog Heinrich zu Braunschweig verliehen wurde samt den daraus resultierenden Zinsen.

Da die Bezeichnung Tonne auch eine Rundung tolerierte (s. dazu auch das Rechenbuch von 1559), muss nicht bezweifelt werden, dass der Autor der Lebensbeschreibung von 1640 mit Recht auf eine Summe von 400 000 Gulden kam und dies kurz mit als 4 Tonnen Gold ausdrückte.

Zur Verfügung stand das Geld dem Ehepaar zeitlebens aber nur zum Teil. Die Stadt Antwerpen weigerte sich Tilgung und Zins zu bezahlen - mit dem Hinweis, nicht sie, sondern die Regierung habe diesen Kredit aufgenommen. Im Jahr 1586 bezifferte Heinrich Rantzau das einst geliehene Kapital auf  150 000 Taler von Christine und  50 000 Taler von ihm selbst. 1592 schreibt er, "…wenn die jährlich schuldig gebliebenen Zinsen zum Kapitale geschlagen werden, so übersteigt die Summe eine Million Carolusgulden.“ In den 1560-er Jahren war ein Zinssatz von 12 Prozent vereinbart worden. Ab1606 zahlte Antwerpen nach langen Auseinandersetzungen immerhin noch einen Teil der Schuld, 200 000 Carolusgulden, an die Erben Rantzaus.7 Faktisch war die Mitgift Christines somit zum großen Teil ein fauler Kredit.
Doch auch wenn die verlorenen 150 000 Taler, umgerechnet 200 000 Carolusgulden, aus Christeines Mitgift verloren gingen, blieben doch 200 000 Carolusgulden - und die entsprachen einem Gegenwert von immerhin 10 000 Ochsen.

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Detlef Dreessen - mit Dank an Prof. Dr. Detlev Kraack, Prof. Dr. Dr. hc. Walther Ludwig und Dr. Ralf Wiechmann, die mich ermunterten, dieser Frage nachzugehen.

 

 Abbildung: Ausschnitt aus dem „Rechenbüchlein“ von 1559

 

1 So etwa Dieter Lohmeier: Heinrich Rantzau - Humanismus und Renaissance in Schleswig-Holstein, S. 34, Verlag Boyens. Ebenso in  Marion Bajschowetz-Iserhoht: Christine von Halle - Die Frau an seiner Seite. In: Heinrich Rantzau (1526-1598) Königlicher Statthalter in Schleswig und Holstein - Ein Humanist beschreibt sein Land (Ausstellungskatalog), S. 17 .

2 zitiert nach Detlev Kraack: Heinrich Rantzau (1526-1598) - ein norddeutscher Adliger von euopäischem Format: im Dienste der Familie, des Königs und der Musen, erschienen im Steinburger Jahrbuch 2000, S. 39.

Friedrich Freiherr von Schrötter erklärt in seinem „Wörterbuch der Münzkunde“ (1930) S.698: „Tonne Gold war eine ältere deutsche, wenig gebrauchte Rechnungsmünze zu 100 000 Reichstalern“. (S.698) Und: „Rechnungsmünzen sind Geldwerte, die in keiner geprägten Münze vorhanden sind [ …] dienten die Rechnungsmünzen als große Wertbeträge zur Vereinfachung der Rechnung im Handel. […] Tonne Goldes war ein Begriff von 100 000 Talern.“ (S. 553)

 4„Ein künstlich Rechenbüchlein auff den Linien und mit den Ziffern nach vorteil und behendigkeit gemacht und beschrieben durch Johann Fischer“, 1559. Ohne Seitenzahlen. Zu finden in:

https://books.google.de/books?id=3M05AAAAcAAJ&pg=PA10-IA39&lpg=PA10-IA39&dq=%22Thonnen+gold%22&source=bl&ots=Uh4BJno5mM&sig=XSMEu1GuvFcDqrC67cRHIV148vs&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwjh1Lb93uTSAhUDbRQKHUZhACIQ6AEILDAH#v=onepage&q=Thonnen&f=false (30.4.2017)

 5 Johannes Tropfke: Geschichte der Elementar-Mathematik, 1. Band, S. 6-7, Walter de Gruyter 1930

 6 Schleswig-Holsteinische Regesten und Urkunden, Bd 9, Herrschaft Breitenburg 1256-1598, S. 158-161

7 Richard Ehrenberg, Das Zeitalter der Fugger: Geldkapital und Creditverkehr im 16. Jahrhundert, 1922, S. 267